100 Jahre Radio hören

Radio hören

21. Nov. 2023 im Vereinstreff
Ausstellung alter Rundfunkgeräte und Präsentation historischer Tonaufnahmen


Aus Anlass des 100. Jahrestages der ersten öffentlichen Rundfunksendung in Deutschland am 29. Oktober 1923 hatten wir zusammen mit der .. ⇒ Fördergesellschaft Rundfunk- und Tonbandmuseum Köln e.V.  eingeladen zu einer Ausstellung von Rundfunkgeräten aus der Zeit der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit, sowie zum Wiedergeben von historischen Tondokumenten. Wir stießen auf ein überwältigendes Interesse.

Ausstellung zeitgenössischer Rundfunkgeräte
Auf zahlreichen Tischen im Vereinstreff Wiener Weg 8 präsentierte die Fördergesellschaft Rundfunk- und Tonbandmuseum Köln Radiogeräte, die für die jeweiligen Epochen typisch waren. Sie waren originalgetreu aufgearbeitet und größtenteils lauffähig. Schon um 15 Uhr, als die Ausstellung eröffnet wurde, hatten sich viele Besucher eingefunden. Kurze Zeit danach waren es so viele, dass wir uns spontan entschlossen, auf einer Führung mit Ferdinand Hürten vom Museumsverein die Geschichte des deutschen Rundfunks anhand der Exponate darzustellen.

Sogar aus den ersten Tagen des Rundfunks in Deutschland (1923) konnte der Museumsverein einen Pionier eines Empfangsgerätes zeigen, dessen Bauart, Funktionsweise und Klangverhalten sich deutlich unterschied von den vertrauten Radios: Auf einer Platte etwa von der Größe DIN A5 stecken ein Bauteil von der Form einer Zwirnspule und eine daumengroße Kapsel, in der ein Kristall eingeschlossen ist. Darauf muss die Spitze eines Drahtes platziert werden, die geeignete Stelle wird festgelegt durch Probieren, Erfahrung und Autorität. Ein Kopfhörer gibt das Tonsignal ab, so dass max. 2 Hörer den leisen Tönen lauschen konnten. Einen Gegensatz dazu bildeten die röhrenbestückten Radios, die Räume beschallten mit ihren externen oder integrierten Lautsprechern. Diese Geräte waren repräsentative hochpreisige Einrichtungsgegenstände, beliebt war die sog. Kathedralenform, von der ein Exemplar von 1926 ausgestellt war.

Unter den Nationalsozialisten war der sogenannte Volksempfänger weit verbreitet, ein preisgünstiges Radiogerät, das nahezu zum Gestehungspreis verkauft werden musste, das dennoch mehre Monatslöhne kostete. Damit dieses wichtige Propagandainstrument rasch seinen Platz in vielen Haushalten fand, gab es ein staatlich gefördertes Abzahlungsprogramm. Schon bei seiner Einführung im März 1933 war der Empfang von Auslandssendern nur in grenznahen Gebieten möglich. Dies war technisch bedingt und beabsichtigt, denn sofort nach der Machtergreifung sollte nur die Ideologie des neuen Regimes zu hören sein, und diese wurde von den gleichgeschalteten Sendern verbreitet. Kennzeichnend war die Namensgebung VE301 „Volksempfänger 30. Januar“, Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. 1938 kam ein weiteres Gerät auf den Massenmarkt, das noch niedrigpreisiger war, der VE38, inoffiziell genannt „Göbbelsschnauze“. Auch diese Geräte waren in der Ausstellung zu sehen.

Die Zeit unmittelbar nach dem Kriegsende war geprägt durch die Entnazifizierung: sogar die Radiogeräte wurden „entnazifiziert“, denn Nazisymbole, der Reichsadler in der Gerätefront, mussten entfernt werden. Es begann die Zeit der sog. Notradios: es wurden Radios gebaut aus allem was noch verwendbar war, oft bestehend aus Restbeständen der Wehrmacht. Das krause Innenleben eines solchen Gerätes aus unbekannter Produktion konnten die Besucher der Ausstellung an einem Exemplar bestaunen (siehe Foto). Die Firma Grundig brachte 1946 einen Bausatz eines Rundfunkempfängers auf den Markt, den sog. Heinzelmann. Es war alles enthalten, bis auf die Röhren, die der Nutzer selbst besorgen musste.
Abgerundet wurde die Ausstellung durch Radios aus dem Anfang der 1950-er Jahren. Die Notzeit war vorbei, Bauteile waren wieder verfügbar, die Kundschaft leistete sich hochqualitative Geräte, die auch UKW-Empfang hatten, und damit eine störungsfreie Klangqualität.

Präsentation historischer Tonaufnahmen
Bis auf den letzten Platz war bei der Abend¬veranstaltung um 19.30 Uhr der große Raum im Vereinstreff Wiener Weg besetzt, als wir zuerst historische Tonaufnahmen des ‚Großdeutschen Rundfunks‘ und der Nachkriegs¬zeit präsentierten wollten. Doch das Interesse an den ausgestellten Rundfunkgeräten war so groß, dass Ferdinand Hürten vom Museums¬verein zunächst die Führung vom Nachmittag wiederholen musste.
Die anschließende Präsentation der Tonaufnahmen begann mit einem Dank an das Deutsche Radioarchiv und den Südwestrundfunk SWR2, die uns die Aufnahmen zur Verfügung gestellt hatten. Sie wurden von einem Volksempfänger wiedergegeben, wodurch seine Klangcharakteristik einen nahezu zeitgenössischen akustischen Eindruck verschaffte. Einige Teilnehmer hörten mit ratlosen Kopf¬schütteln die stets energische Stimme Hitlers, der am 1. Sept. 1939 den Kriegsbeginn mit den gebellten Worten verkündete „Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen“. Ganz anders klang dagegen die pathetische Stimme des Rundfunk¬sprechers, als er am 9. Mai 1945 aus Flensburg das Ende des ‚Großdeutschen Rundfunks‘ vermeldete.
Die Nazis waren stark darauf bedacht, dass die Rundfunkhörer ihre Geräte stets eingeschaltet ließen. Daher wurde hauptsächlich leichte Unterhaltung gesendet, folglich wurde Propaganda, die ein Grund zum Abschalten gewesen wäre, nur selten und dann unterschwellig eingestreut, wodurch das Gerät eingeschaltet blieb. Nur zu wenigen, festen Zeiten wurde harte Propaganda verbreitet. Viele damalige Unterhaltungs-künstler und ihre Lieder schafften den Sprung in die Nachkriegszeit, weil nach Auffassung der Alliierten nichts politisch belastet war. So kam es, dass in der Nachkriegszeit Stars und ihre Lieder ihre Anfänge im Nationalsozialismus hatten, wie z.B. Lale Andersen mit „Unter der Laterne“ und Rudi Schurike mit „Heimat, deine Sterne“ und die „Capri-Fischer“. Teilnehmern, die erst nach dem Krieg geboren wurden, waren diese Künstler und Werke zwar geläufig, doch hatten sie diese nicht in die Zeit des Nationalsozialismus zugeordnet.
Beendet wurde die Vorführung mit einem Ausschnitt aus der Radioreportage vom Wunder von Bern.

Zeitzeugen berichten
Noch heute gibt es Senioren unter den Vereins¬mitgliedern, die von den Sendungen in den Kriegs- und Nachkriegs¬zeiten erzählen konnten. So berichtete Ludolf Sch., wie sie vorgingen, wenn sie in Nord¬deutschland ‚feindliche Sender‘ abhörten: zwecks Schallabschirmung verkroch man sich samt Gerät unter eine Bettdecke, wodurch man nicht den horchenden Kontrolleuren auffiel, die ums Haus streiften. Uta M. erzählte, wie sehr die Nazi¬propaganda das Familien¬leben störte und wie froh alle waren, als der Krieg vorbei war und sie den amerikanischen Sender AFN oder die britische Radiostation BFBS hören konnten. Bernardine S. zeigte sich bei den Tonaufnahmen auch heute noch erschüttert, als sie – wie damals – die aufdringliche Stimme Hitlers hörte.

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